Published On: 6. Juni, 2017By

Alpo Suhonen im ORF Interview: Abschiedsanalyse

Einer der sich nunmehr auch im österreichischen Profi Eishockey auskennt – untadelig und mit bestem internationalem Leumund spricht in einem ORF Interview über seine Aufgaben und Arbeit im österreichischen Eishockey ( jedwede Parallelen zu anderen Sportarten in Österreich wären ja wohl reiner Zufall – schon gar zum heimischen Volleyballsport ):

ORF online / Sport / 06.06.2017

Nach dem WM-Abstieg 2011 hat der damalige Präsident des Österreichischen Eishockey-Verbandes (ÖEHV) Dieter Kalt einen radikalen Umbruch angekündigt. Ein Jahr später begann der neue Sportdirektor Alpo Suhonen, die Strukturen umzukrempeln. „Es war ein Riesenabenteuer“, blickt der Finne im Gespräch mit ORF.at auf fünf Jahre Arbeit zurück. Viel wurde erreicht, doch einige Hürden waren nicht zu überwinden.

Mit einem stattlichen Lebenslauf – Suhonen war nicht nur finnischer Teamchef und Schweizer Meister, sondern auch einer der ersten gebürtigen Europäer auf einem Cheftrainersessel der National Hockey League (NHL) – und vom Präsidium mit mehr oder weniger freier Hand ausgestattet, trat der Finne zur Modernisierung des heimischen Systems an.

Die Jugendarbeit sollte auf Vordermann gebracht und eine heimische Trainerstruktur aufgebaut werden. „Das langfristige Ziel war, dass sich eine österreichische Identität für das österreichische Eishockey entwickelt. Eben mehr österreichische Trainer und Spieler“, so Suhonen.

Strukturell auf A-Niveau

Zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit schaut die Sache laut Suhonen recht gut aus. „Wir sind jetzt strukturell auf dem Niveau der guten Eishockey-Länder. Nicht qualitativ, sondern was die Struktur betrifft“, zieht der 68-Jährige durchaus positive Bilanz. Bei der Trainerausbildung zahlten sich das Mentoring-Projekt und die zweimal im Jahr stattfindenden Coaches Clinics voll aus. „Wir haben ab nächstes Jahr 30 neue Coachs, die ersten 15 werden heuer fertig“, so Suhonen.

In den diversen Nationalteams gibt es nun nur noch Österreicher im Betreuerstab. Seniorenteamchef Roger Bader ausgenommen, aber auch der spricht als Schweizer Deutsch. Heimische Trainer seien der Anfang einer langen Reise zum Erfolg, so Suhonen. „Wenn man gute Trainer hat, die Deutsch sprechen und so leichter Zugang zu den Jungen haben, dann entwickelt sich etwas“, so der Finne. „Der Coach ist nach der eigenen Identität der wichtigste Erfolgsfaktor. Nicht General Manager, Sponsoren oder Medien, nur der Coach.“

An dem nun geschaffenen Pool an österreichischen Trainern werden auch die Clubs der Erste Bank Eishockey Liga nicht vorbeikommen, ist der 68-Jährige überzeugt. Aber: „Headcoach in der EBEL ist vielleicht noch weit weg, aber als Assistenten und Nachwuchscoachs können sie starten. Wir haben jetzt den Grundstein gelegt“, sagt Suhonen.

Umbruch geschafft

Auch im Nationalteam sei der nötige Umbruch erfolgreich geschafft worden, meint der Sportdirektor und verweist auf den erst jüngst geschafften souveränen Aufstieg: „Wir haben in Sotschi (Olympia 2014, Anm.) mit einer Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von 33 Jahren gespielt und jetzt mit einem Schnitt von 25 Jahren, neuen Spielern und neuen Coachs wieder den Aufstieg geschafft.“ Dazu sei „in der U18 ist jetzt eine sehr gute Generation da. Sie waren schon nahe an B-Niveau und werden jetzt sicher aufsteigen.“

Aber erst wenn alle Stufen auf A-Niveau sind, werde sich langfristig Erfolg einstellen: „Ein Turnier zu gewinnen, ist nicht das ganze Bild.“ Ob sich die junge Generation aber so schnell entwickeln darf, wie erhofft, steht in den Sternen. Denn in der EBEL sind Österreicher nach wie vor nur bedingt gefragt. Billige und leicht austauschbare Legionäre verstellen Talenten den Weg.

„Wenn unsere Spieler nicht in der eigenen Liga in den entscheidenden Situationen wie Powerplay spielen dürfen, ist es immer problematisch“, fordert Suhonen einmal mehr ein Umdenken. Zwar wurde vergangenes Jahr mit der Alps Hockey League (AHL) eine Perspektivliga für junge Spieler gegründet, mehr als eine leichte Annäherung an die EBEL ist diese aber nicht.

Es fehlt die Zusammenarbeit

Auch wenn aus Suhonens Sicht viel erreicht wurde, es wäre noch mehr gegangen. Eine Transferkartenregelung, die eine Reduzierung der Legionärsanzahl pro Club bedeutet hätte, wurde von den Clubvertretern ebenso abgeschmettert wie der Vorschlag, österreichische Spieler zwölf Monate anzustellen. Aktuell treffen sich heimische Eishackler in der Zwischensaison auf dem Arbeitsamt – ein steuerlicher Vorteil für die Clubs.

Nicht nur wegen dieser gescheiterten Projekte bezeichnet Suhonen die fünf Jahre in Österreich als „die härtesten meiner Karriere.“ Vor allem die aus seiner Sicht mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Verband kann Suhonen auch nach fünf Jahren in Österreich nicht nachvollziehen.

Generationswechsel nötig

„Verband, Liga, regionale Verbände und ausländische Trainer – es gibt so viele Variablen, die alle in verschiedene Richtungen gehen und nicht in eine gemeinsame, wie zum Beispiel in Skandinavien“, so Suhonen. „Wenn es darum geht, schaut jeder zuerst auf sich. Es wird oft was anderes gesagt, was dann später gemacht wird.“

Dass der Finne mit der Rückendeckung des Präsidiums viele alte Seilschaften auflöste, sorgte ebenfalls für böses Blut. Die Entfernung diverser Referenten auf Nationalteamebene brachte dem 68-Jährigen viele Feinde ein. „Es waren sehr viele Leute sehr böse auf mich“, so Suhonen, der aber seine Maßnahmen verteidigt: „Um den Sport hier noch mehr zu professionalisieren, braucht es einen Generationswechsel.“ Daher setzt der Finne auch große Hoffnungen in den neuen Präsidenten Gernot Mittendorfer: „Es ein Anfang. Aber es braucht noch viele Änderungen.“

„Ich bin nicht böse“

Überrascht sei er auch von teils heftiger medialer Kritik an seinem Vorgehen gewesen: „Es hat immer gute und schlechte Zeiten gegeben, aber solche teils persönliche Attacken von Journalisten habe ich nicht gekannt.“ Speziell die Schelte nach der verpatzten Olympiaquali mit ihm als Teamchef stößt dem Finnen noch immer sauer auf.

Denn niemand sonst hätte sich den laut Suhonen „Selbstmord“ als Interimsteamchef nach praktisch nicht vorhandener Vorbereitung angetan: „Es gab in dieser Situation keine Möglichkeit, jemanden zu finden, der die Spieler kennt. Ich wurde attackiert, weil ich helfen wollte.“ Trotzdem verlässt der Finne, der auch mit 68 Jahren noch keine Lust auf die Pension hat, Österreichs Eishockey-Landschaft nicht im Groll. „Ich bin nicht böse. Ich war wahrscheinlich nicht genug Diplomat“, blickt Suhonen zurück.

Eines wird ihm an Österreich besonders abgehen: „Die Kultur, die Kunst, die Theater – auf diesem Gebiet waren diese fünf Jahre sehr interessant“, so Suhonen, „es ist ein interessanter Kontrast: Österreich ist so reich an kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften, aber in der Sportwelt werden diese, speziell im wissenschaftlichen Bereich, nicht genutzt. Ich hatte oft das Gefühl, der Sport existiert in Österreich in einer eigenen Blase. Aber es bleibt alles in allem ein positiver Eindruck.“